Gedanken zum Internationalen Frauentag 2023

Margit Glasow

FRAUEN FÜR DEN FRIEDEN

Die eine oder der andere wird sich vielleicht noch an den Antikriegsfilm „Coming home“ aus dem Jahr 1978 erinnern. In der Hauptrolle eine bezaubernde Jane Fonda, die Sally Hyde spielt, eine Frau, die sich in den von Jon Voight dargestellten Vietnam-Kriegsveteranen Luke Martin verliebt. Vor ein paar Tagen habe ich mir diesen Film erneut angesehen: Seine Aktualität ist ungebrochen. Luke, der für die Vereinigten Staaten Heldentaten vollbringen wollte – aus verschwommenen patriotischen Gefühlen heraus. Der für sein Land kämpfen und töten wollte. Er hat getötet – für sein Land oder wofür auch immer. Er sah einen Haufen Leichen. Er weiß, wie es sich anfühlt, wenn ein Mensch unter der eigenen Hand stirbt oder der beste Freund in die Luft fliegt. Ein Scheiß-Gefühl, wie er bekennt, mit dem weiterzuleben verdammt schwer ist. Er hat dafür bezahlt, er ist vom Bauchnabel abwärts gelähmt und wird sein Leben lang im Rollstuhl sitzen. Aber er will sich nicht bemitleiden. Er will, dass andere begreifen, bevor es zu spät ist. Deshalb fordert er am Ende des Films andere junge Menschen auf: „Ihr müsst euch entscheiden!“

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat bisher über 200.000 Tote gefordert – junge Soldaten, Ukrainer und Russen, Zivilisten, darunter eine große Anzahl Kinder. Es sind unzählige Verletzte zu beklagen, die bis an ihr Lebensende mit den Folgen werden leben müssen, nicht gerechnet diejenigen, die mit den psychischen Folgen dieses Krieges zu kämpfen haben. Darüber hinaus hat dieser Krieg nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) eine der größten Fluchtbewegungen seit dem Zweiten Weltkrieg verursacht. Mehr als 7,9 Millionen Menschen sollen aus der Ukraine geflohen sein, weitere 5,9 Millionen innerhalb des Landes Zuflucht gesucht haben. Das entspricht mehr als einem Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes.
 
Ungebremste Profite

Doch es geht nicht um dieses unendliche Leid, das dieser Krieg hervorbringt. Es geht nicht um die toten und verletzten ukrainischen und russischen Soldaten. Es geht nicht um die toten und verletzten Zivilistinnen und Zivilisten. Es geht nicht um die Frauen, um die Angehörigen, um die Kinder, für die sich das Leben für immer verändert hat. Nein, darum geht es nicht. Sie alle sind lediglich Kanonenfutter für diejenigen, für die dieser Krieg - so wie alle anderen Kriege – ein willkommener Feldzug zur Durchsetzung ihrer imperialistischen Interessen, ihrer Profitgier ist. So hat der Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall – Deutschlands größter Waffenproduzent, der unter anderem Militärfahrzeuge, Munition und Flugabwehrsysteme herstellt - laut „Handelsblatt“ im ersten Halbjahr 2022 einen Rekordgewinn eingefahren. Für die kommenden Jahre rechnet der Konzern im militärischen Geschäft mit 15 bis 20 Prozent Umsatzwachstum pro Jahr. Ein Blick auf den Aktienkurs dieses Düsseldorfer Rüstungsunternehmens zeigt, dass der Börsenwert inzwischen mehr als doppelt so hoch ist wie noch vor einem Jahr. Rheinmetall könnte damit bald sogar in den DAX aufsteigen, in die Gruppe der 40 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands. Doch Rheinmetall ist nur ein Beispiel, warum Kriege so lukrativ für bestimmte Teile dieser Gesellschaft sind.
 
Können Frauen etwas tun?
Man sollte meinen, dass die Friedensfrage alle linksdenkenden Menschen vereint. Und auch unsere Partei wieder zusammenschweißt und ihre ideologische Zersplitterung überwindet. Sie schwächt uns in jeder Hinsicht. Denn welch größeres Ziel kann es geben, als geeint weitere Kriege zu verhindern? Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Trotz der Gefahr, dass unser Land durch eine immer aggressivere Kriegstreiberei und den wachsenden  Militarismus des Staates immer tiefer in die Auseinandersetzung hineingezogen wird, gelingt es uns nicht, zusammenzufinden. Sich von unseren internationalistischen Positionen aus auf einen Kompass zu einigen.

Es ist schwer zu ertragen, dass von dem einen oder anderen Genossen sogar in Erwägung gezogen wird, Waffenlieferungen könnten zur Erlangung des Friedens beitragen. Dass Genossen behaupten, dass Sanktionen helfen könnten – trotz der unzähligen Beispiele, dass die Sanktionen letztendlich die Bevölkerung treffen – in Russland und in Deutschland., anderswo. Es ist schwer auszuhalten, dass es manchem Zeitgenossen so schwer fällt, die imperialistischen Interessen der NATO richtig einzuordnen und jetzt, in dieser Situation, froh sind, dass es sie gibt. Es ist schwer zu begreifen, wie wenig Bereitschaft es gibt, sich mit den historischen Fakten auseinanderzusetzen, um eine fundierte Analyse vorzunehmen und dann in der Argumentation unseren Klassenstandpunkt konsequent vertreten zu können. Um jene zu erreichen, für die wir auf Grundlage unserer friedenspolitischen Ziele kämpfen.

Friedenssehnsucht mit Kampf für Sozialismus verbinden
Was können wir tun? Was können wir Frauen tun? Ich denke, wir, die wir immer wieder Leben schenken, haben eine besondere Verantwortung für das Leben. Dafür, dass unsere Söhne und Enkelsöhne nicht in den Krieg ziehen müssen. Dafür, dass sie sich richtig entscheiden.

Deshalb kommen wir, wenn wir unsere Partei retten wollen, nicht drumherum, auf Grundlage der historischen Erfahrungen und Fakten  und unseres Programms über Positionen zu streiten, zu analysieren, Gemeinsames herauszuarbeiten und Trennendes zu überwinden. Und den Friedenskampf mit dem Kampf für eine humanistische Gesellschaft zu verbinden. Solidarisch und internationalistisch. Wir Frauen können dazu unseren wichtigen Beitrag leisten.

Ich möchte erinnern: Im März 1915 fand in Bern eine internationale Frauen-Konferenz gegen den Krieg statt - eine Konferenz der sozialistischen Frauenbewegung, die sich gegen den Ersten Weltkrieg richtete und von Clara Zetkin maßgeblich mit vorbereitet wurde. Es lohnt sich meiner Ansicht nach, sich eingehend mit dieser Konferenz und der Rolle der sozialistisch denkenden Frauen jener Zeit zu beschäftigen. Sie rangen dort nicht nur um Formulierungen, sondern vielmehr darum, dass die Konzentration auf die Aktion das Entscheidende sein müsse, um in Massenkundgebungen jeder Art politisch wirksam zu werden.

Wäre es nicht an der Zeit, über solch eine Initiative nachzudenken? 
Ich wäre dabei. 

Mit herzlichen, kämpferischen Grüßen

Margit Glasow
Inklusionsbeauftragte der Partei DIE LINKE
Mitglied im Parteivorstand DIE LINKE