Großer Kämpfer für Inklusion und Teilhabe ist von uns gegangen – im Gedenken an Gotthilf Lorch

Am 20. Mai 2019 ist Gotthilf Lorch - der kleine Mann und große Kämpfer für Inklusion und Teilhabe, unser aller Freund, Genosse und Mitglied der BAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik - völlig unerwartet von uns gegangen. Sein Tod ist für uns, die sich für Selbstbestimmung und Würde engagieren, ein großer Verlust. Er war ein warmherziger und fröhlicher, vor allem ein ehrlicher und höchst aktiver Weggefährte, dessen Motto lautete: „Eine inklusive Welt für ALLE!

Gotthilf führte das Leben eines freien Menschen. Selbstbestimmt. Und solidarisch. Behinderungsübergreifend. Sein ganzes Leben setzte er sich für das gemeinsame Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen und deren Chancengerechtigkeit ein. Das war für ihn als schwer Contergan-Geschädigtem eine Lebensnotwendigkeit und hat sein politisches Wirken, sein ganzes Leben bestimmt. Geprägt von Sondereinrichtungen und Selbstvertretungsorganisationen wie Krüppelgruppen, den Clubs Behinderter und ihrer Freunde (CeBeeF), ForseA, ISL, aber auch von Selbsthilfegruppen in anderen Ländern wie zum Beispiel in Italien, Frankreich, Ungarn und natürlich Rumänien, engagierte er sich sowohl auf vielerlei Ebenen in Deutschland, als auch internationalistisch, insbesondere in Rumänien. Mit seinem umgebauten Transporter reiste er oft in das Land, aus dem seine Ehefrau Maritzer stammt, gründete 2001 den Verein Amici e. V. (Allianz für Mobilität, Integration, Communikation und Innovation) und organisierte mit dessen Hilfe Solidaritätsprojekte für Menschen mit Behinderungen in diesem osteuropäischen Land.

Eine besondere Herausforderung war für den Diplom-Sozialarbeiter und Inklusionsberater die kommunale Ebene – dort wo die Menschen leben. Deshalb war er seit vielen Jahren im Tübinger Stadtrat aktiv - getreu seinem Motto: Tübingen inklusiv für alle. Es war ihm wichtig, ganz konkrete praktische Veränderungen für die Menschen anzustoßen – insbesondere in Sachen Barrierefreiheit. Immerhin ist Tübingen eine historische Stadt mit viel Kopfsteinpflaster und erheblichen Höhenunterschieden. Er suchte stets nach Lösungen, auch dort, wo es sie scheinbar nicht gab. Und schaffte es letztendlich, dass die Radwegbrücke West einen barrierefreien Streifen für Fußgänger*innen und Rollstuhlfahrer*innen erhielt.

Seit 2008 war Gotthilf auch in der LINKEN aktiv - als Gründungsmitglied der LAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik und deren langjähriger Sprecher sowie als Mitglied im Sprecher*innenrat der BAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik. Er kandidierte mehrfach für DIE LINKE bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen. Auch hier war sein Auftreten immer liebenswert und gleichermaßen selbstbewusst. Man denke nur an seine Auftritte auf Parteitagen: Die Spannung stieg und alle im Saal wurden leise, wenn Gotthilf die Sitzhöhe seines Rollstuhls nach oben anpasste – und das dauerte, um besser ans Mikrofon zu gelangen.  Und wie freute er sich, als DIE LINKE in Tübingen 2017 endlich ihr barrierefreies Wahlkreisbüro beziehen konnte.

Lieber Gotthilf, Du warst uns ein streitbarer Weggefährte und ein guter Freund. Aber Du bist viel zu früh von uns gegangen. Dass das so ist, führen wir nicht zuletzt darauf zurück, dass Dir die Folgen des ungeheuerlichen Arzneimittelskandals Lebenszeit gestohlen haben. Das bestärkt uns in unserem Bestreben, weiterhin für die Belange von Menschen mit Behinderungen zu kämpfen. Wir werden Dich nicht vergessen.

 

Sprecher*innenrat der BAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik

- Sonja Bay

- Margit Glasow

- Julia Wolter

- Florian Grams

- Birger Höhn

- Utz Mörbe

- Jörn Weichold

Ilja Seifert, Mitglied im Parteivorstand

Rolf Kohn, Koordinator der BAG